Einsatzstark: Resilienz-Training für Einsatzberufe

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Praktischer Leitfaden für Führungskräfte und Trainer: Wie sich MRT‑Prinzipien (Master Resilience Training) kontextgerecht für Polizei, Feuerwehr und Rettungsdienst adaptieren lassen — mit konkreten Übungen, Implementierungsstrategien und Evaluationsempfehlungen.

 

TL;DR? Bottom line up first!

  • Resilienz für Einsatzkräfte ist berufsrelevant,
  • Resilienz für Einsatzkräfte muss kurz, kontextnah und organisatorisch verankert sein,
  • Ein MRT‑basierter Ansatz, kombiniert mit Team‑Ritualen, Mikro‑Interventionen und systematischem Train‑the‑Trainer, schafft nachhaltigen Transfer,
  • Kurzformate (z.B. Atemanker, ABC‑Schema, 5–10‑Minuten After‑Action) lassen sich direkt in Schichtpläne integrieren und verbessern Handlungsfähigkeit, Regeneration und Teamstabilität.
  • Key Words: Resilienz, Einsatzkräfte, Einsatzfähigkeit

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Was ist überhaupt Resilienz? Lies hier.

Die treibende Kraft hinter Resilienz-Training für Einsatzkräfte: lies hier.

 

Einsatzberufe fordern oft Hochleistungen unter unvorhersehbarem Risiko. Resilienz heißt hier konkret: in kritischen Situationen handlungsfähig bleiben, unmittelbar regulieren, anschließend effizient regenerieren sowie aus Erfahrungen kollektives Lernen ableiten. Aufbauend auf dem Master Resilience Training (MRT) und dem Comprehensive Fitness‑Ansatz der US-Streitkräfte zeigt dieser Beitrag ein pragmatisches (und evidenzbasiertes) Vorgehen zur Stärkung individueller und teambezogener Resilienz für Einsatzkräfte.

 

Ausgangslage: Belastungslandschaft für Einsatzkräfte

  • Akute Lebensgefahr und hohe Intensität: Plötzliche, starke Stressreaktionen beeinträchtigen Wahrnehmung und Entscheidungsfähigkeit und erhöhen Fehleranfälligkeit.
  • Psychischer und moralischer Druck: Entscheidungen mit schwerwiegenden Folgen erzeugen moral injury und potenziell langdauernde psychische Belastungen.
  • Kultur der Unverwundbarkeit: Stärken‑Klischees und Hilfestigma hemmen frühzeitige Hilfe‑Suche und präventive Maßnahmen.
  • Hierarchien und Kommunikationsbarrieren: Strenge Rollenstrukturen reduzieren Rückmeldungskultur und Lernfähigkeit.
  • Personalmangel und Schichtarbeit: Chronische Arbeitsdichte minimiert verfügbare Zeit für Training und Erholung, erhöht Burn‑out‑Risiken.
  • Teamabhängigkeit: Individuelle Dysfunktionen beeinflussen sofort die Einsatzfähigkeit des gesamten Teams. Deutsche Forschungsprojekte (z. B. REBEKA, PULS) bestätigen diese Muster und fordern passgenaue Interventionen.

 

Ein wichtiger Punkt aus eigener Erfahrung und Beobachtung:

Oft sind es nicht die großen Einschläge, wie das eine intensive Erlebnis aus dem Einsatz. Häufig sind es die unterschätzen und scheinbar harmlosen, kleinen Dinge. Aufsummiert und potenziert ergeben sie ein explosives Gemisch: Schlafmangel, hohe Abwesenheiten, emotionale Belastung, die nicht ausgesprochen und integriert wird, ständige Abrufbereitschaft, familiäre und private Sorgen uvm. Das bekannte Fass ist dann voll. Der eine (intensive) Einschlag zu viel und es platzt.

Höchste Zeit also für einen präventiven und begleitenden Ansatz! Nicht erst wenn Psychologe, Arzt, Seelsorger oder Einsatznachbereitungs-Veranstaltungen stattfinden. Und sind wir ehrlich, in den meisten Einsatzberufen ist täglich Einsatz. Täglich funktionieren. Täglich belasten. Wo bleibt die Entlastung? Jeder Profi-Sportler würde längst kaputt sein…

 

Trainingsansatz: Prinzipien und Zielsetzung

Ziel ist kein generisches Resilienzcamp! Was es braucht, ist eine einfache & zweckmäßige Trainings-Kultur, die

  • kognitive, emotionale, soziale und physische Fitness verbindet,
  • Führungskräfte und Peer‑Support einbezieht,
  • durch Train‑the‑trainer lokal verankert wird.

MRT‑Prinzipien (kognitive Umstrukturierung, Problemlösen, Emotionsregulation, soziale Unterstützung) werden mit stressnahen Simulationen und Mikro‑Interventionen kombiniert, um Transfer und Nachhaltigkeit zu maximieren.

 

Beispielübungen gefällig? – Konkrete Bausteine für Trainer und Führung

  • Mikro‑Interventionen (vor/direkt im Einsatz)
    • z.B. Atem‑ und Fokusanker (30–90 Sekunden): tiefe Ausatmung + kurzer visueller oder akustischer Anker zur schnellen physiologischen Beruhigung.
    • z.B. 3‑Schritte‑Check: Wahrnehmen – Benennen – Handeln (entscheidungsorientierter Kurzprozess).
  • Kognitive Umdeutung
    • z.B. Kompaktes ABC‑Schema nach Albert Ellis: A (Auslöser) – B (Bewertung) – C (Konsequenz) → D (Alternative) – E (Entscheidung). Praktisch in Pausen oder direkt nach kritischen Aktionen einsetzbar.
  • Team‑After‑Action Ritual (5–10 Minuten)
    • Strukturierter, nicht-urteilender Austausch: Was lief gut? Was lernen wir? Wer braucht Unterstützung? Kurz, regelmäßig, integriert in‘s Schichtende.
  • Stressreiche Szenario‑Trainings + Debrief bereits in der Ausbildung
    • Kombination aus Zeitdruck, Informationslücken und emotionaler Belastung; gezielte Debriefs zur Verstetigung stärkender Automatismen.
  • Schicht‑Regenerationstechniken
    • z.B. Schlaf‑Hygiene‑Checkliste, 15‑minütige Micro‑Rest‑Phasen, kurze körperliche Aktivierungen zur Entladung und Wiederherstellung.

 

Implementierungsempfehlungen

  • Bewusstsein schaffen: Vortrag, Workshop, Teamcoaching. Insbesondere Entscheider/ Führungskräfte, z.B. mit Coaching abholen und voran gehen lassen.
  • Train‑the‑trainer: Interne Multiplikator*innen adaptieren Resilienz und Selbstführungs-Inhalte kontextgerecht.
  • Modulare Integration: „Pflichtkernmodule“ (nennen wir es lieber Standardmodule) + freiwillige Vertiefungen; Mikrotrainings in Dienstplänen verankern.
  • Führungssichtbarkeit: Führungskräfte als Vorbilder; ihre aktive Teilnahme erhöht Akzeptanz.
  • Evaluation: Kombination aus psychometrischen Indikatoren (Selbstwirksamkeit, Stresssymptome) und operativen Kennzahlen (Ausfalltage, Einsatzfehler). Personalbereiche und Psychologen mit ins Boots holen.
  • Verstärker nutzen: z.B. Apps für Erinnerung und kurze Wiederholungen, ergänzend zu Präsenztraining, oder Trainingsmanuals oder Journaling offen vor-leben

 

Fazit

Resilienz ist in Einsatzberufen kein Nice‑to‑have-Ding. Sie ist ein operativer Erfolgsfaktor für Einsatzkräfte. MRT‑basierte, kurzformatige und teamorientierte Interventionen bieten einen direkten Weg, Handlungsfähigkeit und (mentale) Gesundheit zu sichern. Erfahrungen aus dem MRT und ggf. deutsche Forschungsdaten und Praxisinitiativen sollten dabei als Kontextgeber genutzt werden, um Maßnahmen passgenau zu gestalten.

In meinen Coachings verwende ich viele der Techniken aus Resilienzforschung und Positiver Psychologie, wie sie auch im MRT bereits erfolgreich angewendet werden. Es braucht mehr Entscheider, die bereit sind, Fitness größer zu denken: wirklich umfassende Fitness! Für Einsatzkräfte, die einem außer-gewöhnlichen Anforderungsspektrum ausgesetzt sind, reichen gewöhnliche Resilienz-Workshops nicht aus. Jeder, aber besonders die Führungskräfte, sollten verstehen, dass Resilienz heute kein Ad-On ist. Resilienz ist für Einsatzberufe die Grundlage für professionelle Auftragserfüllung. Was es also braucht? Zunächst Bewusstsein! Und das startet bei jedem selbst.

 

 

Quellenverzeichnis

  • Bonanno, G. A. (2004). Loss, trauma, and human resilience: Have we underestimated the human capacity to thrive after extremely aversive events? American Psychologist, 59(1), 20–28.
  • Cornum, R., Matthews, M. D., & Seligman, M. E. P. (2011). Comprehensive Soldier Fitness: A positive psychology approach to improving soldier resilience. American Psychologist, 66(1), 25–34.
  • Deutsche Traumastiftung e. V. (o. J.). PULS‑Studie: Verbesserung der Traumaversorgung und Prävention in Polizei und Rettungswesen.
  • Gutschmidt, D., & Otto, S. (2022). Resilienz in der Polizei: Der Effekt von Sportaktivität, Persönlichkeit und sozialer Unterstützung. SIAK‑Journal — Zeitschrift für Polizeiwissenschaft und polizeiliche Praxis, 1, 16–29.
  • Hoge, C. W., Castro, C. A., Messer, S. C., McGurk, D., Cotting, D. I., & Koffman, R. L. (2004). Combat duty in Iraq and Afghanistan, mental health problems, and barriers to care. New England Journal of Medicine, 351(1), 13–22.
  • Kröling, S., & Gerhold, L. (Hrsg.). (2019). Konzepte zur Steigerung der Resilienz von Einsatzkräften: Ergebnisse aus dem Forschungsverbund REBEKA (Schriftenreihe Sicherheit Nr. 26). Forschungsforum Öffentliche Sicherheit, Freie Universität Berlin.
  • Pientka, M. (2024). Mentale Gesundheit für Polizei und Rettungskräfte: Psychologische Grundlagen und Werkzeuge für Einsatzkräfte. Springer.
  • Reivich, K., & Shatté, A. (2002). The Resilience Factor: 7 keys to finding your inner strength and overcoming life’s hurdles. Broadway Books.
  • Schedlich, C., Drews, K., & Cierpiol, P. (2025). Resilienz und Traumaprävention: Fachzentrum Resilienz und Traumaprvention (FRT) — PSNV im Einsatzwesen (Symposiumsbeitrag). Bundesanstalt Technisches Hilfswerk / Fachzentrum Resilienz und Traumaprvention.
  • Seligman, M. E. P. (2012). Flourish — Wie Menschen aufblühen: Die Positive Psychologie des gelingenden Lebens (S. Schuhmacher, Übers.). Kösel Verlag.
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