Fake News? Die 2 stärksten mentalen Fallen und wie wir sie umsteuern

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Alles reine Kopfsache? Unser Gehirn ist nicht neutral und kann auch „Fake News“: Es sucht Gefahr, bestätigt lieber Bekanntes als Neues und lässt Kognition und Emotion oft ungeordnet miteinander raufen. Dieser Beitrag zeigt, wie 2 starke kognitive Verzerrungen uns mit Fake News füttern, unsere Leistungsfähigkeit erheblich reduzieren und die Lebensqualität herabsetzen können, wenn wir nicht lernen, wie wir mit ihnen professionell umgehen.

TL;DR? Bottom line up first!

  • Fake News: (absichtlich) falsche oder irreführende Informationen,
  • Kognitive Verzerrungen (Bias): Unser Gehirn arbeitet mit Abkürzungen, die Wahrnehmung und Entscheidungen verzerren.
  • Negativity-Bias (Negativitätsfehler): Negative Informationen wiegen schwerer als positive – wir überschätzen Risiken und Probleme.
  • Confirmation-Bias (Bestätigungsfehler): Wir suchen und bevorzugen Belege, die unsere bestehenden Überzeugungen bestätigen, und blenden Widersprüche aus.
  • Kombination beider: Gemeinsam verstärken sie Fehlurteile – wir sehen vor allem das Negative und finden dafür scheinbar passende Bestätigungen.
  • Auswirkungen: Individuell: Stress, Tunnelblick (Target Fixation), geringere Lernfähigkeit. Organisational: Fehlentscheidungen, Kultur der Angst, Innovationshemmung.
  • Praxisstrategie: Bewusstes Gegensteuern durch Reflexion, Perspektivwechsel, strukturierte Entscheidungsprozesse und Feedbackschleifen.
  •  Tools als One-Pager im Download-Bereich.

Key-Words: Fake News, mentale fallen, Kognitive Verzerrung, Negativity-Bias, Confirmation-Bias

 

Ohne Struktur werden Gedanken und Gefühle zu einem lauten Orchester ohne Dirigenten. Sie produzieren dann weniger Fakten als oftmals Fake News. Ob wir ihnen glauben, liegt an uns. Selbstführung beginnt dort, wo wir aufhören den Lärm zu zulassen, wir entscheiden, dieses Orchester zu leiten statt von ihm geleitet zu werden. Daher müssen wir genauer hinsehen: Der Negativity-Bias beschreibt die Tendenz, negative Informationen stärker wahrzunehmen, zu erinnern und zu gewichten. Der Confirmation-Bias ist die Neigung, Informationen so zu suchen und zu interpretieren, dass sie bestehende Überzeugungen bestätigen. Beide Verzerrungen sind gut belegt und haben weitreichende Folgen für Wahrnehmung, Gedächtnis und Entscheidungsprozesse. Wollen wir also nicht unseren eigenen mentalen Fake-News zum Opfer fallen, müssen wir verstehen, wie sie funktionieren.

 

Wichtig!

Besonders unter Stress und hohen (beruflichen) Anforderungen, Schlafmangel und fordernde Situationen, haben wir ein hohes Risiko, den folgenden menschlichen Effekten auf den Leim zu gehen – mit weitreichenden Folgen. Das betrifft besonders den Bereich der Einsatzberufe, deren Berufsleben oft von Schichtdienst/ instabilem Biorhythmus, physischer und psychischer Belastung geprägt ist und damit die Regenerationseigenschaften erheblich reduziert sind.

 

Was sind kognitive Verzerrungen und wie sie entstehen

Kognitive Verzerrungen sind wiederkehrende Muster im Denken, bei denen Informationen nicht objektiv verarbeitet werden, sondern verzerrt — etwa, weil wir Details überbewerten, widersprüchliche Hinweise ignorieren oder Wahrscheinlichkeiten falsch einschätzen. Sie führen dazu, dass wir die Realität systematisch falsch interpretieren und daher falsche Entscheidungen treffen. Die Kenntnis über diese Verzerrungen ist daher ein professionelles Muss für alle Entscheider und Verantwortungsträger!

Kognitive Verzerrungen haben mehrere Ursachen: begrenzte kognitive Ressourcen (wir sparen uns „mentale Kalorien“), emotionale Motive (z. B. Wunsch nach Konsistenz oder Selbstschutz) und heuristische Abkürzungen (schnelle Faustregeln, die oft nützlich, aber fehleranfällig sind). Diese Mechanismen sind evolutionär plausibel, weil sie schnelle Entscheidungen ermöglichen, aber in komplexen modernen Kontexten zu Fehlern führen können.

Wir alle kennen Pessimismus und Schwarz-weiß-Denken. Gerade dann, wenn wir zu viele „Einschläge“ erlebt haben und zu viele negative Erfahrungen gemacht haben, werden wir wohl eher nicht vom best-case-szenario ausgehen. Schon klar. Es sichert uns unser „Überleben“ in einer Umgebung, die darauf ausgerichtet ist „bei der Sache“ zu sein, einfach zu funktionieren, wie es im Berufsleben vieler der Fall ist.

In Luftfahrt und Notfallmedizin sind die folgenden beiden Effekte Schulungsthema im Bereich Human Factos. Bloß gut so! In vielen anderen Bereichen würde ein Verständnis wohl viele Fehler und persönliches Leid ersparen.

 

Falle #1: Negativity-Bias oder Negativitätsfehler

Der Negativity-Bias bedeutet, dass negative Reize (Gefahr, Kritik, Verlust) psychologisch stärker wirken als gleich starke positive Reize. Evolutionär plausibel ist, dass das Überleben davon profitierte, Bedrohungen schneller und nachhaltiger zu verarbeiten. Empirische Übersichtsarbeiten zeigen, dass negative Ereignisse intensiver erinnert, schneller Aufmerksamkeit erregen und Urteile stärker beeinflussen als positive. Wichtig: Die Stärke des Bias variiert mit Kontext, Alter und Kultur.  Er ist also kein universelles Gesetz, sondern ein robustes menschliches Tendenzmuster, das jeder kennen sollte.

Fake News 2_Coaching Flensburg
Fake News: #1 Negativity-Bias_Coaching Flensburg

Falle #2: Confirmation-Bias oder Bestätigungsfehler

Der Confirmation-Bias umfasst mehrere Verhaltensweisen: selektive Informationssuche, einseitige Interpretation ambivalenter Daten und selektives Erinnern zugunsten bestehender Hypothesen. Klassische Experimente (z. B. Wason‑Aufgaben) zeigen, dass Menschen eher nach Bestätigung als nach Falsifikation suchen, was fortschrittliches Denken erschwert und unsere Alltagsurteile bis hin zum Tunnelblick/ TARGET FIXATION verzerrt. Der Bestätigungsfehler tritt in vielen Formen auf und hat drei Hauptursachen — wir wollen, dass neue Informationen zu unseren Überzeugungen passen (motivational), unser Denken ist durch begrenzte Ressourcen eingeschränkt (kognitiv), und wir nutzen mentale Abkürzungen (heuristisch). Wir wollen „mentale Kalorien“ sparen. Was also schon in ein bestehendes System (Schubladen?) passt, ist uns willkommener als Abweichungen und Kritik. Überleben und Selbstschutz sind dabei wichtige Begrifflichkeiten.

Selektiv sehen, was wir sehen wollen_Confirmation Bias
Selektiv sehen, was wir sehen wollen_Confirmation Bias_Coaching Flensburg

Das Prinzip dahinter: Autopoiesis

Autopoiesis, also die Tendenz von Systemen, sich selbst zu schaffen/ zu erhalten, trifft auch auf unser Selbst-Bild zu. Es bedeuten, dass Systeme (auch psychische) darauf ausgerichtet sind, ihre eigene Organisation zu bewahren. Kognitiv zeigt sich das darin, dass wir Informationen so filtern, dass sie das System nicht destabilisieren. Das macht den Bias evolutionär plausibel: kurzfristig spart er kognitive Ressourcen und erhöht Handlungsfähigkeit in unsicheren Situationen. Diese Mechanismen fördern die Bestätigung bestehender Überzeugungen, da sie das Bedürfnis nach Stabilität und Kontrolle unterstützen. Der Bestätigungsfehler hilft dabei, das Selbstbild zu bewahren und das Überleben zu sichern, indem er Informationen bevorzugt, die die eigene Sichtweise bestätigen. Praktisch bedeutet dies, dass Menschen oft in ihrer Wahrnehmung gefangen bleiben, was ihre Fähigkeit zur objektiven Entscheidungsfindung einschränken kann.

 

Praktische Folgerung aus dem Coaching:

Wollen wir den Bestätigungsfehler reduzieren, hilft es, Interventionen so zu gestalten, dass sie nicht das Selbstbild frontal angreifen, sondern sichere, identitätskompatible Wege zur Neubewertung anbieten (z. B. neugierige Fragen, externe Feedback‑Rituale, schrittweiser Perspektivwechsel). Bevor wie eine Ego-Reaktion provozieren, weil ein frontal angegriffenes Selbstbild verteidigt werden möchte, empfiehlt sich die strategischere Vorgehensweise. Und dennoch: ohne ehrliches Spiegeln, bestätigen wir fleißig weiter einen kontraproduktiven Status Quo. Eine Frage der Dosis.

 

Wechselwirkungen und praktische Relevanz

Die beiden Verzerrungen verstärken sich oft gegenseitig: Negative Informationen, die zu einer bestehenden negativen Erwartung passen, werden besonders leicht bestätigt und behalten. Für uns bedeutet das: Fehlurteile, Polarisierung und schlechte Entscheidungen sind häufig Folge dieser kognitiven Muster. Gleichzeitig zeigen Arbeiten zu Intuition und Entscheidungsfindung, dass schnelle, heuristische Urteile in vielen Situationen nützlich sein können — aber anfällig für Bestätigungsfehler und Negativitätsfokus bleiben.

 

Praktische Strategien zur Minderung

  • systematische Suche nach Falsifikationen: „Welche Hinweise sprechen gegen unsere erste Einschätzung?“ oder neben „Bestätigungskriterien“ auch „Widerlegungskriterien“ aufnehmen, z. B. bei medizinischen Diagnosen: „Welche Symptome fehlen?“,
  • strukturierte Entscheidungsprozesse: z.B. durch Checklisten der Luftfahrt, „Wenn A, dann B – außer Bedingung C liegt vor.“
  • bewusste Gewichtung positiver Evidenz: „Hunt fort he good stuff“ und „Small-Wins-Tracking“,
  • Peer‑Review/Feedback‑Schleifen: nicht-lineare Teamauswertung mit wechselnden Rollen.

Weitere Techniken sind als One-Pager im Download-Bereich.

Auf individueller Ebene helfen Achtsamkeit und metakognitive Reflexion, automatische Tendenzen zu erkennen und zu unterbrechen, z.B. durch Coaching oder Journaling. Auf institutioneller Ebene sind transparente Methoden und Anreizstrukturen zentral, um konstruktives Fehlermanagement und organisationales Lernen zu ermöglichen. Vertikale Weltbilder, richtig-und-falsch-Denken, sowie starre Regeln fördern hingegen negative Organisationskultur.

Negativitäs-Bias trifft Confirmations Bias_Coaching Flensburg
Negativitäs-Bias trifft Confirmations Bias_Coaching Flensburg

 

Ein brisantes Duo mit einem Hauch Autopoiesis

Zusammen können Negativity-Bias und Confirmation-Bias eine gefährliche Kombination ergeben. Besonders in Tätigkeiten, die emotional fordernd sind, körperlich zehren, weil z.B. durch Schlafmangel keine ausreichende Regenation zur Verfügung steht, hat dieses Teufelsduo erheblichen Einfluss auf berufliche Leistung und persönliches Wohlbefinden. Es ist oft zu beobachten, dass gerade jene Berufe, die ein hohes Maß an „Funktionieren“ fordern, und das außerhalb jeglicher Bio-Rhythmik, langfristig mehr und mehr diesem Teufelskreis zum Opfer fallen. In Allem und Jedem wird nur noch das Negative gesehen. Ein kleiner Anlass (Reiz) genügt und wir sehen darin die Bestätigung unseres ohnehin negativen Weltbildes. Die neuronalen Wege sind so oft eingelaufen, dass die Bestätigung des negativ bewerteten Reizes verstärkt und dann noch potenziert weitergeleitet wird. Negativ-Autobahn sozusagen. Wir suchen gewissermaßen auch noch danach, denn es bringt uns die Sicherheit des Vertrauten und gaukelt uns vor, dass wir schon richtig liegen mit unseren Einschätzungen und doch nicht „ganz blöd“ sind. Eine Selbstbestätigung oder selbsterfüllende Prophezeiung, die nur noch weiter in den Abgrund führt. Entscheidungen verlieren ihre reflektierte Güte und das persönliche Erleben wird ebenfalls negativ.

 

Fazit

Kognitive Verzerrungen wie der Negativity-Bias und der Confirmation-Bias sind keine Randphänomene, sondern tief verankerte Muster unseres Denkens. Sie sichern kurzfristig Orientierung und Überleben, können aber in komplexen modernen Kontexten gravierende Fehlentscheidungen begünstigen. Besonders in Hochstress-Umgebungen – etwa Einsatzberufen oder Organisationen mit hohem Leistungsdruck – verstärken sich beide Verzerrungen gegenseitig und führen zu einem Teufelskreis aus Pessimismus, Bestätigung negativer Erwartungen und eingeschränkter Lernfähigkeit.

Wer diese Mechanismen versteht und aktiv gegensteuert, gewinnt Handlungsspielraum, Klarheit und Resilienz – sowohl individuell als auch organisatorisch. Professionelle Selbstführung bedeutet, das eigene mentale „Orchester“ bewusst zu dirigieren, statt von automatischen Mustern geleitet zu werden.

 

Quellen

  • Stangl, W. (2023). Negativitätsverzerrung. Online Lexikon für Psychologie & Pädagogik. https://lexikon.stangl.eu/25123/negativitaetsverzerrung
  • Kahneman, D. (2016). Schnelles Denken, langsames Denken (5. Aufl.). München: Siedler Verlag.
  • Gigerenzer, G. (2007). Bauchentscheidungen: Die Intelligenz des Unbewussten und die Macht der Intuition. München: Goldmann.
  • Strack, F., & Deutsch, R. (2004). Reflexive and impulsive determinants of social behavior. Personality and Social Psychology Review, 8(3), 220–247.
  • Bless, H., & Fiedler, K. (2006). Sozialpsychologie: Ein Lehrbuch. Weinheim: Beltz.
  • Jonas, E., & Frey, D. (2003). Information search and presentation in advisor-client interactions. Organizational Behavior and Human Decision Processes, 91(2), 154–168.

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