Schwerpunkt setzen und priorisieren sind in der inneren und äußeren Führung essentielle Fähigkeiten, um erfolgreich zu sein. Selbst große Manager und CEO‘s, wenngleich sie Profis im Lenken und Entscheiden zu sein scheinen, können oftmals Amateure im Führen von sich selbst sein. Was fehlt? Die innere Orientierung. In einem ganzen Kosmos an innerem Chaos hilft ein Fixstern den eigenen Standort zu definieren: Der Schwerpunkt. Er schafft durch sein „schweres Punktsetzen“ einen ersten Schritt überhaupt mal einen „Henkel dran zu bekommen“, wie es so schön heißt. Wir schaffen also durch einen Schwerpunkt und die dazugehörige abstufende Priorisierung ein Ordnungs-System, das uns handlungsfähig macht. Oder wie soll überhaupt etwas geschehen, in einer unendlichen Weite an tausend Möglichkeiten, die alle gleich wichtig zu sein scheinen?
Too long, didn’t read? Bottom line up first!
Keywords: Schwerpunktsetzung; Fokus; Aufmerksamkeit; Stress; Human Factors; Priorisierung; Führungsprinzip; Entscheidungsarchitektur; Ritualisierung; Wirkungsorientierung. |
Highlander Prinzip: Es kann nur einen geben!
„Wer alles sichert, sichert nichts.“
– Militärischer Grundsatz
Und wer alles zum Schwerpunkt macht, hat einfach keinen. Oder weiß nicht was er/sie will. Und sind wir ehrlich: es kommen IMMER neue Aufträge und Tasks rein. Wer da kein Filtersystem hat, einen Schwerpunkt, dessen To-Do-Liste kann von allen Umständen von außen ständig neu befüllt werden. Wir haben also auch selbst eine erhebliche Aktie daran, wie hoch unser Stresslevel ist. Wir müssen es nicht immer auf die Umstände schieben. Es fehlt oftmals einfach ein Trichter oder Filter, der das Fass angemessen befüllt, statt es überfluten zu lassen. Daher ist nicht nur für die militärische Operation ein Schwerpunkt wichtig, es gilt für Führung und auch generell für die eigene Operation, unser Leben.

Können sich Schwerpunkte ändern? Gewiss. Nur, wir brauchen einen Schwerpunkt, um überhaupt einen ersten Schritt gehen zu können. Und vielleicht einen weiteren. Und noch einen. Gibt es Learnings daraus? Weiter machen oder anpassen? Da das Leben nicht linear verläuft, können sich auch Schwerpunkte und Prioritäten verschieben. „Bloß gut!“, sagen die einen, deren frisch gegründete Familie ihre erfolgreiche Karriere auf einmal unwichtig erscheinen lässt. Andere reagieren hingegen frustriert und kämpfen sich ab, die tausenden To-Do’s alle gleich gut zu managen. Was eben nicht in‘s lineare Weltbild, oft auch starres Selbstbild passt, muss mit voller Kraft passend gemacht werden. Das Ergebnis? Burnout, Herzinfarkt, Magengeschwür, Scheidungen?
In einer Welt in der alles schreit „Ich bin wichtig, beachte mich!“ kann nicht alles gleichzeitig beachtet werden. Das wäre Stress pur. Zum Glück kann unser Gehirn solche andauernd geforderte Aufmerksamkeit auch nicht verarbeiten, gar den Fokus zerteilen. Nicht alles kann gleich und in voller Aufmerksamkeit beachtet und verarbeitet werden.
Schwerpunktsetzung als neurokognitive Notwendigkeit
In einem Meer von Möglichkeiten ist Fokus keine nette Zusatzkompetenz, sondern eine biologische Bedingung. Unsere Wahrnehmung und Aufmerksamkeit sind begrenzt. Nur ein Bruchteil der eingehenden Reize erreicht das bewusste Handlungslevel. Steigt Stress, verengt sich dieses Gate weiter: das Gehirn greift auf automatische Routinen zurück und filtert auf Basis unmittelbarer Relevanz. Wir kennen dabei die Begriffe: Tunnelblick oder Target Fixation.
| In der heutigen Welt mit seinen hochverdichteten Reizen und großer Informationsmenge gewinnt dies an erheblicher Relevanz für all jene, die in Verantwortung stehen und dabei noch zusätzlichen Stressoren ausgesetzt sind! |
Wir neigen dann dazu, vom bewussten Menschen in den evolutionären Notfallmodus zu wechseln. Das ist in wirklich gefährlichen Situationen auch wirklich sinnvoll. Wir funktionieren. Punkt. Kein Schnickschnack. Dinge werden einfach gemacht. Kein innerer Sitzkreis. Aber wir müssen bedenken: nicht alles was heute wichtig und brenzlich erscheint ist dies auch. Ohne einen klaren Schwerpunkt wird die knappe Aufmerksamkeit auf die lautesten oder emotionalsten Reize verteilt — nicht auf das, was strategisch zählt. Wer nur noch funktionieren kann, ist eine Maschine geworden.
Innen wie außen: Gestaltung von Arbeitsumgebung und Entscheidungsarchitektur
Human‑Factors‑Forschung zeigt, dass Systeme und Prozesse an die Grenzen menschlicher Informationsverarbeitung angepasst werden müssen. Wenn Arbeitsumgebungen unzählige gleich gewichtete Aufgaben sichtbar halten, erzeugt das kognitive Überlastung, Fehleranfälligkeit und erhöhtes Burnoutrisiko. Eine bewusst gesetzte Priorität reduziert mentale Last: Sie macht sichtbar, worauf Ressourcen fließen sollen, und schafft verlässliche Entscheidungsheuristiken für Alltagssituationen. Das gilt für Arbeitsumgebungen und Führungsprozesse gleichermaßen, ob außen oder innen.
Aufmerksamkeit erzeugen, nicht verteilen
Aufmerksamkeitsforschung und Werbepsychologie zeigen, wie kurz und selektiv wir Reize verarbeiten. Wirkung entsteht nur in einem engen Wahrnehmungsfenstern. Gestaltung und Platzierung entscheiden, ob eine Botschaft überhaupt ankommt. Und wir kennen wohl alle den Zustand, in dem Menschen sind, wenn sie dem (mentalen) Overload verfallen. Wir switchen dann in einfache biologische Systeme. Fight, flight, freeze. Target Fixation auf das am bedrohlichsten Wirkende. Einfache Schaltkreise sozusagen. Unsere Hirnaktivitäten wandern dann vom präfrontalen Cortex in Richtung Stammhirn. Die Entscheidungsgüte wandert ebenfalls zurück in den Stammes-Zustand des reinen Überlebens. Das Schöne aber ist: zwischen Amoklauf (fight), Betäuben (flight) oder auf Durchzug stellen (flight/ freeze), liegt die Möglichkeit unserer bewussten Wahl. Was ist gerade wirklich wichtig? Bringt mich das meinen Schwerpunkt näher oder entfernt es mich?
Evolutionär in den Funktions-Modus zu wechseln ist sehr sinnvoll und hat sicher erheblich zu unserer Spezies beigetragen. Im modernen Alltag sind diese Mechanismen oft hinderlich für zweckdienliche Entscheidungen. Im Funktions- und Krisenmodus springt unser System auf kurzfristiges Überleben an. Nur sind wir nicht täglich in einer lebensbedrohlichen Krise.
Aber wir können uns dies zu Nutze machen. Wieder übertragen auf Führung heißt das: ein Schwerpunkt muss so formuliert und kommuniziert werden, dass er in knappen Momenten erfasst wird — sonst bleibt er wirkungslos, egal wie wichtig er ist. Die Aufmerksamkeit ist sonst weg, insbesondere im Stress des Berufsalltages.
Conclusio
Es kann nur einen Schwerpunkt geben. Nicht viele „gleich wichtige“. Nicht alle gleichzeitig. Ein einziger, klar formulierter Schwerpunkt fungiert als kognitiver Hebel — er bündelt Aufmerksamkeit, kanalisiert Energie, reduziert Stress‑induzierte Fehlsteuerung und erhöht die Wahrscheinlichkeit nachhaltiger Verhaltensänderung. Führung ohne diesen Fixstern ist ineffizient und gefährlich: Sie fördert Zerstreuung, Überforderung und systemische Erschöpfung.
Praxisanleitung — kurz und bedingungslos
- Ein Schwerpunkt pro Zyklus: Formuliere ihn präzise; mache ihn sichtbar.
- Das Einfache hat bestand – kein Perfektionismus, oder ewiges „was ist wenn?“.
- Kommunikationsschutz: Wiederhole ihn; platziere ihn prominent in Meetings, Dashboards und E‑Mails. Stichwort: PURPOSE & MEANING – der Goldstandard innerer und äußerer Führung!
- Ritualisiere Schutz: Daily Prioritäts‑Check, Time‑Blocks und klare Kommunikationsregeln. Ablenkungen wie das Handy weg, Fokus an.
- Wenige Indikatoren: Miss Erfolg mit maximal drei validen Kennzahlen.
- Intentionales Repriorisieren: Verschiebung nur nach expliziter Entscheidung — nicht durch laute Dringlichkeiten.
Schlussworte
Der Henkel ist gesetzt: Ein Schwerpunkt gibt uns den ersten Griff in die Unendlichkeit der Möglichkeiten. Wer diesen Griff nicht wagt, bleibt in der Illusion von Kontrolle stecken — und zahlt am Ende mit Leistungsabfall, Beziehungen und Gesundheit. Was ist der Schwerpunkt für deine Lebens-Operation?
Quellenverzeichnis
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Endsley, M. R. (1995). Toward a theory of situation awareness in dynamic systems. Human Factors, 37(1), 32–64.
Arnsten, A. F. T. (2009). Stress signalling pathways that impair prefrontal cortex structure and function. Nature Reviews Neuroscience, 10, 410–422.
Wickens, C. D. (2008). Multiple resources and mental workload. Human Factors, 50(3), 449–455.
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Norman, D. A. (2013). The Design of Everyday Things (deutsche Ausgabe). München: DVA.
Dekker, S. (2014). The Field Guide to Understanding Human Error (deutsche Ausgabe). Zürich: vdf Hochschulverlag.
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